Krimi-Kolumne: "Sörensen fängt Feuer"

Unser Programmmacher Volker Albers ist nicht nur ein wahrer Krimi-Fan - sondern er schreibt zudem auch die Krimi-Kolumne für das Hamburger Abendblatt. Was er von Sven Stricker's "Sörensen fängt Feuer" hält?

 

 

Sörensen hat es nicht leicht. Einst im Dienst des Landeskriminalamts Hamburg, hat es ihn in die nordfriesische Provinz verschlagen, ins vermeintlich heimelige Katenbüll. Dort erhofft er sich die nötige Ruhe für Geist und Seele, denn Sörensen leidet unter einer Angststörung. Was für einen Kommissar natürlich ein eher ungünstiger psychischer Defekt ist – wie sich in „Sörensen hat Angst“ bereits andeutete, Sven Strickers erstem pointiert spannendem Kriminalroman, dem jetzt der zweite, „Sörensen fängt Feuer“, gefolgt ist.

Nun ist es seit Jahren üblich, dass fiktive Kommissare gern mit einigen charakterlichen Sonderlichkeiten ausgestattet werden. Aber eine Angststörung? „Ich hatte eigentlich erst die ,Macke’ und brauchte dann die passende Figur dazu“, erzählt Sven Stricker. „Ich wollte aufgrund persönlicher Erfahrungen über den möglichen Verlauf einer Angststörung berichten, ohne Betroffenheitston, aus der Perspektive eines Mannes, der sich durchaus auch mit Selbstironie gegen die Krankheit behauptet.“ Was ist in den beiden Romanen trefflich gelungen ist.

Stricker, 1970 in Tönning geboren, ist mehrfach ausgezeichneter Hörspielregisseur und Autor. Und so war die Figur des Sörensen ursprünglich auch für ein Hörspiel geplant. Mit dem Schauspieler Bjarne Mädel als Sörensen. „Ich wollte unbedingt noch einmal mit Bjarne Mädel arbeiten“, sagt Stricker. Was auch passierte – und aus dem Hörspielmanuskript wurde dann aber ein Roman. Und in naher Zukunft soll daraus ein Film werden, in der Hauptrolle: Bjarne Mädel.

Stricker erzählt brillant und mit feinem Sinn für Tragikomik von Menschen, die alle in ihrem kleinen alltäglichen Kosmos gefangen sind – sei es die Familie, der Job, die Krankheit oder seien es sektenähnliche Strukturen, in deren rigiden Verhaltenskodices Menschen zu Opfern werden. Und zu Leichen. Denn wer ausbricht aus dem religiösen Kreis, wird zum Freiwild.

Ich wollte darauf hinaus, dass es an und für sich keine Rolle spielt, welchem Glauben man so derart verfällt, dass man sich radikalisiert. Es muss nicht mal der Glaube an Gott, Allah oder irgendwelche anderen Götter oder Götzen sein.“ Für Sven Stricker ist der Mensch immer auf der Suche nach Käfigen, weil die Freiheit ihm letztlich Angst macht.

In „Sörensen fängt Feuer“ bekommt es die Titelfigur mit einem an die Seele gehenden Fall zu tun: Alles beginnt mit einem jungen Mädchen, das offenbar orientierungslos durch die kalte friesische Nacht irrt. Es ist Dezember, Weihnachten ist nicht mehr weit. Das Mädchen trägt lediglich ein dünnes Hemd, es ist verwirrt, und es ist blind, wie der junge Musiker Ole erkennen muss, vor dessen Auto das Mädchen läuft. Und das Mädchen schweigt hartnäckig. Als Sörensen und sein Team zu ermitteln beginnen, machen sie eine grausige Entdeckung: Das vielleicht 18-jährige Mädchen hat ihr Leben bislang in einem dunklen Kellerraum verbracht. Als Gefangene, mit ihren Puppen. Bis ihr die Flucht gelingt.

Sven Stricker schildert eine Welt des Schreckens, in der Freiheit nur eine Floskel ist, weil der religiöse Wahn allumfassend und verschlingend ist. Der Autor hat starke Figuren in diesen abgründigen Kosmos auf dem platten Land gestellt, nicht nur Sörensen mit seiner Angststörung zählt dazu, auch Täter wie Opfer gleichermaßen. Dabei gelingt es Stricker, seiner dramatischen, klug konstruierten Geschichte durch die eingestreuten humoresken Episoden, etwa bei den köstlichen Szenen im Kriminalkommissariat, etwas Licht in dieses scheinbar undurchdringliche Dunkel zu bringen. Diese Art des Erzählens beherrscht Sven Stricker auf das Schönste.

Fortsetzung folgt? Hoffentlich.

 

Sven Stricker: Sörensen fängt Feuer. rororo, 444 Seiten, 11 Euro.

Die Lesung von Sven Stricker und Bjarne Mädel am 7.11. beim Hamburger Krimifestival ist ausverkauft. Infos: www.krimifestival-hamburg.de